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Warum ist Rind- und Schweinefleisch im Moment teurer?

Veröffentlicht am 20. April 2022

Ursachenforschung, Auswirkungen und ein Vorausblick!
Nach zweieinhalb Jahren mit extremen Tiefpreisen stieg der Preis bei Rindern in den letzten Wochen um etwa 30 Prozent. Gleichzeitig sind die Bauern mit starken Kostensteigerungen (Futtermittel, Dünger, Energie) konfrontiert. Die Teuerung setzt sich auch bis zum Konsumenten fort. Ähnlich sieht die Situation für den Schweine-markt aus: schrumpfende Bestandszahlen, weniger Importware sowie starke Kostensteigerungen in der Produktion. Gut Streitdorf und ARGE Rind Geschäftsführer DI Werner Habermann über Ursachen und Auswirkungen.


Die Preise für Schlachtrindern sind in den letzten 6 Monaten um 30 Prozent gestiegen – woran liegt das?
Habermann: Die Preise, die wir derzeit sehen, waren vor Kurzem noch nicht vorstellbar. Der Höhenflug ist vor allem eine Folge der vorangegangenen Depression. Wir hatten zweieinhalb Jahre mit extrem niedrigen Preisen zu kämpfen. Den extremen Tiefpunkt brachten die ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr und Sommer 2020. In der Rindermast hat das zu vielen Betriebsaufgaben geführt. Dadurch fehlt jetzt die nachgefragte Menge.


Welche Rolle spielt Deutschland bei der Preisentwicklung im Rinderbereich?
Habermann: Deutschland ist für den österreichischen Rindfleisch-Markt sehr preisbestimmend. Derzeit ist in Deutschland einfach zu wenig Ware vorhanden. Da das Angebot nicht so wie in Österreich durch Erzeugergemeinschaften gebündelt wird, bestimmt das reduzierte Angebot den Preis. Das mag für den Moment lukrativ aussehen, doch übersieht man dabei leicht die Folgen: Die Preise steigen entlang der Wertschöpfungskette, also auch für den Konsumenten. In Österreich zahlt der Konsument bereits 20 % mehr für Rindfleisch, das reduziert die Kaufkraft. Dieser Faktor verringert mittelfristig die Nachfrage und könnte die Erzeugerpreise deutlich unter Druck bringen.

Die Erzeugergemeinschaft hat hier bewusst einen anderen Weg als Deutschland eingeschlagen und versucht, die Preise nicht auf die Spitze zu treiben, um eine langfristige Nachfrage zu sichern.


Wie sieht die Situation am Schweinemarkt aus?
Habermann: Vor wenigen Monaten waren die Schlachtschweinemärkte in Europa größtenteils noch unter Preisdruck, das Angebot war groß. Doch der Umbruch hat sich auch hier bereits seit Wochen abgezeichnet.

Neben den Corona-Lockdowns führte besonders der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland zu einem absoluten Preistiefpunkt. In der Schweinehaltung hat dies zu Betriebsaufgaben geführt. Etwas zeitverzögert sind die Auswirkungen deutlich und die Gründe für die Preissteigerungen liegen auf der Hand: Die Nachfrage steigt deutlich.

Auch hier zeigt sich eine Preis-Anbindung an den deutschen Markt: Eine Entkoppelung aufgrund der offenen Grenzen nicht so leicht möglich. Denn ein Teil der Ware ist internationalisiert, sprich austauschbar – dies trifft vor allem bei Schinken und Wurst zu! Hier geben die internationalen Einkaufsmöglichkeiten die Preislimits vor, unser Angebot muss mitziehen.


Importe aus Südamerika – was hat sich verändert?
Habermann: Aufgrund der geringen Nachfrage in Europa, ausgelöst durch die Lockdowns, haben Exportländer für Rindfleisch wie Argentinien und Brasilien den asiatischen Markt als alternatives Exportziel entdeckt. Das ist so weit gegangen, dass ganze Rindfleischkonzerne mehrheitlich in chinesischen Besitz gegangen sind. Aktuell sind Teilstücke aus Südamerika einfach nicht bestellbar, weil „ausverkauft“.

 
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Konsumenten?
Habermann: Das knappe Angebot, die starke Nachfrage, die Preiserhöhungen in der Produktion führten unweigerlich auch zu einer Preissteigerung für den Konsumenten. 10 – 20 % muss der Österreicher dieser Tage mehr für Rind- und Schweinefleisch ausgeben. Für Rindfleisch ist die Preisspitze erreicht, bei Schweinefleisch ist bis Juni noch ein Preisanstieg von 10 – 15 % zu erwarten.

Die Ukraine-Krise spielt hier massiv hinein: Die Ukraine ist ein Hauptlieferant für Futtermittel, Dünger und Energie – die Verknappung führt zu den bereits erwähnten Preiserhöhungen.

 
Welche Auswirkungen hat das auf die Landwirte?
Habermann: Die erhöhte Preissituation lässt die Landwirte Luft holen. Allerdings stehen dieser Entwicklung eine rekordmäßige Preissteigerung bei Futtermitteln, Dünger und Energie gegenüber. Von besonderer Bedeutung wird es hier sein, auf welchem Niveau eine längerfristige Preisstabilisierung gelingt und inwieweit eine Abdeckung der Kostenschere für die Rinder- und Schweinehalter gegeben ist.

Habermann Werner