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Verkaufen oder Veredeln?

Veröffentlicht am 09. Oktober 2023

Helmuth Raser BSc vom Beratungsteam Schweinehaltung der Landwirtschaftskammer NÖ hat die wirtschaftliche Entwicklung in der Schweinehaltung analysiert und zeigt, dass Veredelung eine Wertschöpfung bringt.

Die Erfahrungen der näheren Vergangenheit haben SchweinehalterInnen Pessimismus gelehrt. Kaum hatte man Aussichten auf ertragreiche Zeiten, stand man vor der nächsten Herausforderung, wie etwa beim Preisverfall durch Ausbrüche der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland, die Coronapandemie oder den Kostenanstieg durch den Ukrainekrieg. In Kombination mit den zahlreichen Änderungen an den rechtlichen Rahmenbedingungen und dem aktuellen Image in der Gesellschaft, hat das dazu geführt, dass Schweinehalter innerhalb der Landwirtschaft nicht gerade optimistisch in die Zukunft blicken.

„Sicher ist sicher“

Kaum verwunderlich war es demnach, dass die hohen Getreidepreise zur vergangenen Ernte einige Betriebe veranlasst hat, die Futtersilos nicht mehr zu befüllen bzw. ihr Getreide lieber zu verkaufen. Trotz der bis dahin absoluten Höchstpreise für Mastschweine und obwohl mit damals geschlachteten Schweinen durchaus ansprechende Deckungsbeiträge von 35-45 € für die Mast realisierbar waren, ließen manche Schweinehalter den Stall leerlaufen. Das Motto: „das Geld für den verkauften Mais kann mir niemand mehr nehmen und zusätzlich spar ich mir die Arbeit mit den Schweinen. Wer weiß, ob mir meine Arbeit im Stall jemals über einen ausreichend hohen Schweineerlös entlohnt werden würde.“ Insbesondere in der Mast war die Angst vor sinkenden Preisen für Schlachttiere groß. Nicht nur ein Schweinestall wurde auf diese Weise in „Frühpension“ geschickt oder zumindest nicht voll ausgelastet.

„Ich habe es doch gesagt“

Bis Jahresende 2022 konnte man dieser Entscheidung kaum etwas entgegenhalten. Während sich Futter und Energiekosten in ungeahnte Höhen schraubten, fielen die Preise für Ferkel und Mastschweine (siehe Grafik). Klagten bis dahin vornehmlich Sauenhalter über unzufriedenstellende Erlöse, stimmten zunehmend Mäster mit ein.

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Worüber kaum jemand spricht

Gegen Jahresende begann sich die Situation allerdings zu wandeln. Die Futtermittelpreise stagnierten allmählich und in die Entwicklung der Schweinepreise kam wieder Schwung. Für Sauenhalter ließen sich mit den ab Jahresende verkauften Ferkeln endlich wieder Deckungsbeiträge über 35 € erzielen. Diese stiegen bis in den Sommer 2023 stetig weiter auf zwischenzeitlich über 60 €. Bis Mitte des Jahrs erreichte man auch in der Schweinemast wieder stetig Deckungsbeiträge von über 30 und bis zu 50 € je Mastschwein. Der steigende Schlachtschweineerlös konnte bisweilen auch die steigenden Ferkelkosten abfedern. Über die Ängste bei der Vorjahresernte redet heute deshalb kaum mehr jemand. Wer die Schweinehaltung aufgegeben hat, weiß auch gar nicht, was ihm entgangen ist. Allen anderen wird dieser Rückblick allerdings Mut machen, die Silos auch zu dieser Ernte wieder zu befüllen. Das vergangene Jahr zeigt jedenfalls, dass sich Veredeln auch in der heutigen Zeit noch lohnen kann.

Ein Praxisbeispiel

Ein Landwirt berichtet: „Ich mäste knapp 1000 Schweine im Jahr. Ich würde mich nun doch ärgern, hätte ich im Vorjahr den Mais verkauft und die Schweinehaltung bereits aufgegeben. Den Stall habe ich ja ohnehin. Mir wären etwa 35.000 € Deckungsbeitrag entgangen. Rechne ich den Deckungsbeitrag der Schweine dem Mais zu, habe ich durch die Schweinehaltung im Vorjahr fast 160 € pro Tonne Mais zusätzlich erwirtschaftet. Durch die niedrigeren Getreidepreise stellt sich sie Situation derzeit anders dar und ich bin froh, dass ein wesentlicher Anteil des Betriebseinkommens über die Schweinehaltung erwirtschaftet wird. Die Frage „Verkaufen oder Einlagern“ stellt sich für unseren Betrieb nicht. 

Ist das Glas halbvoll?

Die Mastschweinepreise und Ferkelpreise befinden sich weiterhin auf äußerst hohem Niveau und trotz der Preisrückgänge der vergangenen Wochen um etwa 20-25 € über dem Vorjahreswert. Dem gelernten Pessimisten schaudert aber vor erheblichen Erlösrückgängen und dem erhöhten Risiko durch die gestiegenen Produktionskosten. Ein weiteres deutliches Fallen der Schweinepreise sollte durch die Rückgänge bei österreichischen sowie bei europäischen Schweinebeständen allerdings nicht absehbar sein.

Ein Blick in die Glaskugel

Geht man für das kommende Jahr im Durchschnitt trotzdem von etwa 10% geringeren Schweinepreisen aus und bleiben die Getreidepreise und die anderen Direktkosten auf dem aktuellen Niveau, würden die Deckungsbeiträge etwa im Bereich des Vorjahreszeitraums liegen. Natürlich handelt es sich bei diesem Ausblick nur um reine Spekulation, da auch der technische Fortschritt bisher keine Glaskugel für den Schweinemarkt hervorgebracht hat. Trotzdem könnte man aus ökonomischer Perspektive das Glas derzeit durchaus als „halbvoll“ bezeichnen.

Was es für die Zukunft braucht

Um die gestiegenen Anforderungen der Tierhaltungsverordnung sowie Arbeitszeit und Stallplatzkosten auch nach einem Stallneubau bzw. -umbau ausreichend entlohnen zu können, wird dieses „halbvolle Glas“ auch dringend benötigt. Einige wirtschaftlich ertragreiche Jahre wären Balsam auf die von Pessimismus geplagten Wunden der Schweinehalter. Soll die Eigenversorgung mit österreichischem Schweinefleisch über 2030 hinaus annährend erhalten werden, braucht es zudem unbedingt mehr Dynamik bei der Investitionstätigkeit bestehender Betriebe. Um Betriebsleiter zu motivieren ihre Ställe innerhalb der Übergangsfristen auf die neuesten Haltungsvorgaben anzupassen und weiterhin in die Schweinehaltung zu investieren, wird es allerdings mehr als nur positive wirtschaftliche Aussichten brauchen. Stabile Rahmenbedingungen aber auch ein positiveres Image der gesamten Schweinehaltung innerhalb der Gesellschaft wären wohl notwendig.